Ich arbeite zur Zeit, wie gesagt, am nächsten Buch. Das gibt es manchmal Phasen, in denen ich ziemlich nervös bin. Lesen muss mich dann beruhigen. Und ich kann mich oft nicht auf ein anderes Buch einlassen, es stört mich einfach, die Texte anderer zu lesen. In solchen Zeiten sehe ich abends oft einfach eine Serie auf Netflix oder anderswo, gerade zum Beispiel Succession, die fiktive Geschichte der ebenso reichen wie kaputten Familie des Medienmoguls Logan Roy, der eines der größten Unterhaltungs- und Nachrichtenunternehmen der Welt kontrolliert.

Kann ich nur empfehlen.

Gelesen habe ich den Autor, den ich immer lesen kann und immer lesen werde, mag die Lage sein, wie sie gerade sei: Georges Simenon. Ich habe schon oft erklärt, warum ich ihn verehre, einmal habe ich sogar im Fernsehen darüber gesprochen, mit dem Ergebnis, dass nach der Sendung eine ältere Dame vor dem Studio stand – mit einer großen Tasche voller Maigret-Romane, erschienen damals bei Diogenes. Sie habe ihr Bücherregal verkleinern müssen, sagte sie, aber die schönen Bücher nicht wegwerfen wollen.

Ob ich sie gerne hätte?

Klar wollte ich. (Man kann so ein Angebot ja auch nicht ablehnen.) Seitdem liegt der Stapel in meinem Büro. Und als ich gar nicht mehr wusste, was ich lesen sollte, schnappte ich mir einfach das oberste Exemplar und nahm es mit heim.

Maigret und der Fall Nahour, das ist 1967 zum ersten Mal erschienen.

Selbstverständlich kannte ich das Buch, weil ich praktisch alles von Simenon kenne, für den Kampa-Verlag, der sein Werk nach und nach in frischen Übersetzungen neu herausbringt, habe ich sogar einmal ein Nachwort für Der Mann, der den Zügen nachsah geschrieben. Ich empfand das als große Ehre: mein Name und der Simenons auf einem Buchtitel.

Aber ich vergesse den Inhalt gerade von Kriminalromanen immer sehr schnell und so las ich das Buch wie ein neues. Ich ließ mich fallen in die Welt Maigrets, in die klare, einfache, unprätentiöse und bildreiche Sprache Simenons, in die bekannte Welt des Quai des Orfèvres, der Brasserie Dauphine, der Wohnung am Boulevard Richard-Lenoir, der Inspektoren Lucas, Lapointe und Janvier. Ungeheuer entspannend – und spannend zugleich. (Ja, auch das können Bücher für uns tun.)

Georges Simenon, Maigret und der Fall Nahour, Deutsch von Hansjürgen Wille, Barbara Klau und Julia Becker, Kampa Verlag. 17,90 Euro