Mein nächstes Buch heißt Aua! Die Geschichte meines Körpers und wird am 17. September erscheinen. Fertig ist es insofern, als ich das Manuskript zu Ende geschrieben habe und der Text lektoriert worden ist. Und der Zeichner Nishant Choksi hat seine Illustrationen auch alle abgegeben.
Sie gefallen mir übrigens außerordentlich, weil sie eine Leichtigkeit und Freundlichkeit haben, die von ferne an den großen Sempé erinnert. Sabine Cramer, meine Verlegerin und Lektorin bei Dumont, hatte die Idee, Nishant zu fragen, ob er diese Arbeit machen würde. Und er hat zugesagt, was nicht selbstverständlich ist, denn unser Mann ist ein international sehr gefragter Künstler. Er lebt in Brighton und arbeitet u.a. für die New York Times, den Guardian, die ZEIT und das Magazin der Neuen Zürcher Zeitung. Wer einen kleinen Eindruck von dem haben will, was er so macht, sollte sich seine Website anschauen, es ist ein Vergnügen.
Das Buch ist ein Projekt, dessen Idee ich schon lange mit mir herumgetragen habe. Wie wäre es, hatte ich gedacht, man würde mal Körperteil für Körperteil untersuchen, welche Spuren die Zeit dort hinterlassen hat, nicht nur das Alter, sondern auch die Zeit, in der ich lebe? Die Spießigkeit meiner Jugend, das physische Erbe meiner Eltern, der Sport, den ich betrieben habe, der Stress meines Berufs und so weiter.
Und gleichzeitig, so dachte ich, wäre es doch interessant, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie es sein kann, dass wir ein ganzes Leben mit diesem Körper verbringen und doch so wenig über ihn wissen. Ich jedenfalls könnte nicht so ohne weiteres sagen, wo sich meine Galle befindet und welche Aufgaben sie hat, nur ein Beispiel jetzt. Das müsste doch, so dachte ich weiterhin, ganz von selbst zu einigen großen Fragen unseres Lebens führen, zum Beispiel zu jener: Habe ich eigentlich einen Körper oder bin ich einer?
So geht es in Aua! um bedeutende Fragen meines Daseins. Um nur drei herauszugreifen: Was hat eine Einladung zum Literarischen Quartett vor einigen Jahren mit meiner Knie-Operation zu tun? Welche Narben habe ich und wie sind sie entstanden? Welche Spuren hat es in mir hinterlassen, dass ich mit vier Jahren beinahe ertrunken wäre?
Dieser Tage landete auf meinem Schreibtisch die Herbst-Verlagsvorschau von Dumont. Buchhändler bekommen sie und Journalisten, die Buchbranche halt. Darin gibt es ein Interview mit mir zum neuen Buch, hier ist es.
Dein neues Buch stellt den Körper in den Mittelpunkt. Ist das nicht ungewöhnlich für einen Mann des Geistes und des Wortes?
Ja, klar, das fand ich gerade gut! Ich habe mich gefragt, warum Leute zwar Memoiren über ihre großen Taten schreiben, aber nie über ihren Körper. Man kann von Narben und damit verbundenen Ereignissen berichten, von Schmerzen, ausgefallenen Zähnen, Beulen und Flecken, Haarverlust und Knorpelschwund. Aber auch von den Triumphen der Muskeln. Vom Alltag des Herzens. Den Mühen der Leber. Das sind alles Geschichten, sie beschäftigen uns jeden Tag. In unseren Körpern ist das Leben eingeschrieben. Vom Körper reden heißt vom Leben sprechen. So ist das Buch auch der Versuch, die Welt und das Leben anhand des eigenen Leibes zu verstehen.
Der Untertitel Die Geschichte meines Körpers klingt ja beinahe nach einem Schlüssellochbuch. Erwartet uns eine Art Striptease?
Auf jeden Fall. Es ist ungeheuerlich. Auch schamlos. Wie immer bei mir.
Sexualität, Verdauung, Schwäche aller Art …Wer an Körperliches denkt, denkt an Themen, über die man nicht häufig oder sogar nie spricht. Geht es hier auch um das Brechen von Tabus?
Eher um das Teilen von Erfahrungen. Um das Schaffen von Gemeinschaft, von Zusammengehörigkeit. Wir haben vielleicht unterschiedliche Ansichten über Gendern oder Landwirtschaftssubventionen. Aber verdauen tun wir alle.
Hättest du dieses Buch auch vor 20 Jahren schon schreiben können? Oder wird der Körper interessanter, je älter man wird? Gibt es mehr zu erzählen?
Der Körper ist das Medium, mit dem wir die Welt wahrnehmen und erfahren – und auch uns selbst. Natürlich kann ich mit 68 darüber mehr erzählen als mit 48. Es ist einfach mehr geschehen. Ich habe mir mal beim Meditieren eine Rippe gebrochen, das ist vielleicht auf der ganzen Welt noch niemandem passiert. Und vor 20 Jahren habe ich noch nicht meditiert. Also. In bestimmter Hinsicht ist der Körper im Alter von 20 Jahren extrem interessant. In anderer Hinsicht aber eben auch nicht so.
Wir leben in Zeiten der Selbstoptimierung: Wenn du ein Körperteil oder ein Organ problemlos austauschen könntest – welches wäre es? Wahrscheinlich mein Gehör. Ich habe seit 50 Jahren Tinnitus, den wäre ich schon gerne los.