Vor langer Zeit habe ich Hackes Tierleben geschrieben, Michael Sowa hat das Buch damals illustriert, und wegen seiner Bilder liebe ich es sehr, weil es so schön ist. Vor drei Jahren hat es der Kunstmann-Verlag in einer großformatigen Ausgabe noch einmal neu herausgebracht, ich bin darüber immer noch begeistert. (Was ich bei meinen eigenen Büchern sonst eigentlich nie bin.)
Als ich an dem Buch arbeitete, benötigte ich jederzeit raschen Zugriff auf zoologische Literatur aller Art. Deshalb ist die Abteilung Tierliteratur über die Jahrzehnte hinweg eine der umfang- und reichhaltigsten in meinen Büroregalen geworden, zumal das Thema Das Tier und wir auch in den Kolumnen immer wieder eine Rolle spielt.
Eines meiner Lieblingsbücher ist W. Liebeskinds 1911 erschienenes Werk Die Nutz- und Sportgeflügelzucht mit dem schönen Untertitel Beschreibung der Rassemerkmale nebst Anleitung zur rationellen Haltung und Zucht der Hühner, Truthühner, Perlhühner, Gänse, Enten, des Ziergeflügels, der Pfauen, Fasanen, Schwäne, sowie der Tauben …
Uff! War’s das? Also, der Untertitel? Ja, das war’s.
Allein schon die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses verspricht höchstes Vergnügen, zumal in Zeiten, in denen das eigene Huhn gerade wieder schwer in Mode ist, selbst Tagesschau-Sprecherinnen schreiben ja heute Bücher über ihre Hühnerzucht. Was uns Laien gemeinhin einfach als Huhn unters Auge tritt, wird hier aufgeteilt in ungezählte Rassen, als da zum Beispiel wären: Englisches Kampfhuhn und Deutsches Reichshuhn, Weißwangige Spanier und Bergische Kräher, auch den Siebenbürger Nackthals wollen wir nicht vergessen. Es sind die Vielfalt im Verborgenen und die Hingabe an das Entlegene, um die es hier geht, auch um die Freude am Speziellen, und als ich für mein Deutschlandalbum vor vielen Jahren eine Reportage über Hühnerzucht in Thüringen schrieb, war mir das Werk einmal mehr von größtem Nutzen.
Wobei es auch immer wieder schön ist, sich die sprachliche Umständlichkeit, in der noch vor gut hundert Jahren solche Bücher geschrieben wurden, zu Gemüte zu führen. Welch ein Kontrast zu unserer heutigen Zack-Zack-Sprache! Und welche Formulierungsliebe steckt doch in diesen Texten, auch noch in der umstandslosen Abrechnung mit zwei Hühnerrassen, die heute selbst Spezialisten kaum noch ein Begriff sein werden, Strupphühner und Bergische Schlotterkämme.
Hier zwei Sätze aus dem Werk, die mich immer wieder freuen, der eine also über das erwähnte Strupphuhn: „Als gute Leger sind die Strupphühner nicht zu bezeichnen und ebensowenig halten sie etwa an sie herantretenden Witterungseinflüssen, sowohl bei Aufzucht als im Alter stand, so daß auch diese Eigenschaften mit dazu beitragen, dem schon durch sein Aussehen nicht allzu beliebten Huhn wenig Freunde zuzuführen.“
Wenig Freunde zuzuführen … Wie dauert einen das arme, arme Strupphuhn in diesem Moment!
Der andere Satz betrifft die Bergischen Schlotterkämme: „Eine mit den bergischen Schlotterkämmen in engster Beziehung stehende Varietät, unter der Bezeichnung bergisches Kuckuckshuhn, wurde in früheren Jahren öfters erwähnt, gegenwärtig hört man von derselben nichts mehr.“
Wie lange das nachklingt, nicht wahr?
Gegenwärtig hört man von derselben nichts mehr …
So wird es über die meisten von uns einmal heißen: Gegenwärtig hört man vom demselben nichts mehr …