Ich reise dieser Tage nach Belgien, zuerst nach Gent, dann Brügge, dann Antwerpen, vielleicht  auch noch Brüssel. Mal sehen. Da wird wenig Zeit sein, stundenlang zu lesen, aber ein Buch wie Oden von David Van Reybrouck ist genau richtig: kurze, abwechslungsreiche Texte über die verschiedensten Themen.

Außerdem ist Reybrouck Belgier, geboren in Brügge, ein arrivierter Autor, Weltreisender, unglaublich vielseitig, Schriftsteller, Dramatiker, Journalist, Historiker. In diesem Buch sind Kolumnen vereint, die er für das niederländische Online-Magazin The Correspondent schrieb. Er nennt die Texte Oden, wobei man hier nicht an die äußere lyrische Form denken darf, die wir mit Oden verbinden , wenn wir Pindar im Kopf haben, Horaz oder später Klopstock und Hölderlin...

Oder vielleicht doch ein bisschen? Seine Texte sind keine Lyrik, aber sie haben dennoch etwas Lyrisches, sie haben das Schwärmende, Rühmende, das zu einer Ode immer gehört.

Reybrouck hat Oden an alles Mögliche geschrieben, an Freunde, Künstler, Politiker, Bekannte und Unbekannte, an David Bowie oder Kofi Annan, aber auch an Dinge, die Bahnhofsgaststätte, den Umkleideraum, schließlich an emotionale Zustände, das Zuhören, das Wiedersehen, die Eifersucht, die Nonchalance.

Fast jeden Tag lese ich ein bisschen in diesem Buch, immer so zwischendurch, ein oder zwei Oden, es sind ja kurze Texte, aber gedankenreich, empfindsam, voller Neugier und Überraschungen, großem Wissen und vieler Erlebnisse, spannender Assoziationen und biografischer Anklänge, geschrieben auf der ganzen Welt. (Es erinnert von daher übrigens ein bisschen an den Atlas eines ängstlichen Mannes von Christoph Ransmayr, eines meiner Lieblingsbücher seit langer Zeit.)

Man muss nicht nach Belgien fahren, um es zu lesen, das kann man überall, und man sollte es auch tun.

David Van Reybrouck, Oden, aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert, Insel, 20 €