Heute ist der erste Weihnachtsfeiertag. Aber ich will jetzt keine Weihnachtsgeschichte erzählen. Bloß ein einfaches Erlebnis, das ich neulich hatte.

Vor drei Wochen fand meine jährliche Lesung im Berliner Schlossparktheater statt, einem Haus, das ich sehr mag, weil es eine große Tradition hat, weil es seinem Chef Dieter Hallervorden gelingt, dieses Haus in privater Initiative auch durch schwere Jahre zu bringen, weil dort unglaublich freundliche und professionelle Menschen arbeiten und weil auf dieser Bühne jahrelang Der kleine König Dezember als Theaterstück in der Regie von Lorenz Christian Köhler lief. (Zuerst sollte damals Dirk Bach die Titelrolle spielen, was die Idealbesetzung gewesen wäre, doch starb er wenige Tage vor der Premiere, zehn Jahre ist das her. Gustav Peter Wöhler sprang für ihn ein, vorbildlich und großartig.)

Wie bei jeder Theaterveranstaltung saß bei meiner Lesung hinter der Bühne ein Feuerwehrmann, das ist so vorgeschrieben. Im Brandfall muss er die notwendigen Maßnahmen treffen. Einmal, im Bochumer Schauspielhaus, habe ich das sogar erlebt: Bei der Zugabe schrillte plötzlich die Feuersirene, das Haus wurde geräumt – glücklicherweise war es falscher Alarm.

Bevor die Lesung beginnt, unterhalte ich mich oft mit dem Diensthabenden, manchmal ist es ein Berufsfeuerwehrmann, oft einer von der Freiwilligen Feuerwehr. Man erfährt interessante Sachen über deren Alltag, macht ein paar Scherze, dann geht es los. In der Regel scheinen die Feuerschützer aber nicht so wahnsinnig interessiert am Bühnengeschehen, sie sehen es ja auch gar nicht, allenfalls auf dem kleinen Bildschirm des Inspizienten.

In Berlin schob ein älterer Herr Dienst.

Als ich zur Pause von der Bühne kam, stand er auf einmal direkt vor mir.

„Mann!“, rief er, „Sie sind ja echt wer! Ich wusste das nicht, ich kannte Sie nicht.“ Er hielt mir seinen Handy-Bildschirm unter die Nase, darauf mein Foto. Er hatte meinen Namen gegoogelt und war ganz aus dem Häuschen vor Freude, es sei ja toll, was ich da so läse und erzählte, „und wie Sie das alles so bringen, super“. Er hörte gar nicht mehr auf zu reden, aber ich musste ins Foyer und am Büchertisch signieren.

Ich freute mich sehr. Nach der letzten Zugabe stand ich wieder vor ihm. Draußen hatten sie zu klatschen aufgehört, jetzt klatschte er mir hinter der Bühne zu und ich sage Ihnen: Es hat mich fast mehr gefreut als der Beifall aus dem Zuschauerraum. Denn vom Publikum erwartet man solchen Jubel, von Feuerwehrleuten nicht. Ich hatte mit meiner Arbeit einen für mich eingenommen, von dem ich das nicht im Geringsten erwartet hätte.

Und noch etwas anderes dachte ich.

Dass nämlich wir, die wir etwas auf einer Bühne tun, recht selbstverständlich Beifall erwarten und dass ich ihn in der Regel auch reichlich bekomme. Trotzdem klage ich immer wieder, es sei mir zuviel, die vielen Auftritte und Reisen. Stimmt auch, es ist mir manchmal wirklich zuviel. Aber es gibt eben eine Menge Leute, die nicht weniger Arbeit haben – aber ohne jeden Beifall. Das letzte Mal, dass zum Beispiel Leuten Beifall gespendet wurde, die damit sonst nicht rechnen können, war irgendwann zu Beginn der Pandemie, nicht wahr? Hat man schon wieder vergessen. War ja auch bald vorbei.

Könnte man sich aber mal wieder dran erinnern. Man muss nicht immer die Hände rühren, aber ein täglich geäußerter Respekt und wirklich ausgesprochene Anerkennung für Leute, die ohne großes Trara irgendwo ihre Arbeit tun und ohne die es halt nun mal nicht ginge – das wäre schön. Braucht nämlich jeder. Kann auch jeder geben, ohne große Mühe. Jetzt ist es doch irgendwie weihnachtlich geworden. Besinnlich, wie man so sagt. Mir war halt so.