Vor ein paar Tagen haben wir alle Arbeiten an Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir mit dem Ernst des Lebens umgehen sollten beendet, also auch Lektorat, Faktencheck, Korrektur und so weiter. Nun wird gedruckt, und der Autor muss sich innerlich von seinem Buch verabschieden, an dem möglicherweise noch etwas zu tun wäre (das denkt der Autor immer, selbst wenn ein Buch schon zehn Jahre auf dem Markt ist, würde er gerne noch was daran ändern), aber nichts mehr getan werden kann.

Man könnte also sein Büro aufräumen, eine Zeitlang nichts tun, über das nächste Buch nachdenken, mit Vorarbeiten beginnen.

Oder erstmal nach Italien fahren, in unser Haus für viele Sommer.

Das haben wir getan.

Wir haben uns um unser Grundstück mit den Olivenbäumen gekümmert, um den Torre, um unser Boot, um die Nachbarn, die Freunde. Um das Leben.

Vormittags haben wir – vor der großen Hitze – auf dem Ripidello gearbeitet oder versucht, Handwerker aufzutreiben, die dort arbeiten könnten, wenn sie denn nicht immerzu etwas anderes zu tun hätten. Oder ich habe geschrieben, denn zu schreiben ist immer etwas. Nachmittags haben wir auf dem Schlauchboot die Beine hochgelegt, sind ins Wasser gesprungen, haben an den Felsen geschnorchelt und kleine Oktopusse gesehen – oder einfach mitten in der Bucht ein Schläfchen gemacht.

Und wir haben das große Welttheater des kleinen Dorfes an uns vorbeiziehen lassen und nach Kräften mitgespielt. Viel gelernt, wieder einmal.

Beppe, der Maurer, soll uns schon seit Langem eine neue Trockenmauer auf dem Ripidello bauen, er ist der Beste dafür, aber gerade deswegen hat er nie Zeit. Seit Jahren bettelt meine Frau ihn um eine Mauer an, ein Mäuerchen, bitte, Beppe, bitte! Und kürzlich hat er tatsächlich gesagt, er werde sich bald an die Arbeit machen, ein gutes Zeichen, das bedeuten könnte, dass wir in zwei, drei Jahren eine Mauer haben werden.

Beppe hat den schönen Satz gesagt: Ti dedico una mattina, ich widme dir einen Vormittag, eine wunderbare Äußerung, in der quasi alle Beziehungen zwischen Handwerker und Kunde heutzutage zusammengefasst sind. Wir konnten also Hoffnung haben. Und wie sagt man in Italien? La speranza e l’ultima a morire, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Bloß war sie schon wenige Tage später dem Tod sehr nahe, die Hoffnung. Beppe hatte nämlich Schmerzen im Bein, die er jahrelang ignoriert hatte, sträflicherweise, wie sich nun herausstellte. Er hat einen Arterienverschluss, und das ist eine Sache, die man ernstnehmen muss. Beppe hat immer große Angst vor Krankheiten, er muss ja gesund sein, sonst verdient er nichts. Und für einen Tag (bis sich herausstellte, dass schon alles wieder werden wird), fürchtete er tatsächlich, er könnte sein Bein verlieren.

Und so standen wir auf dem Ripidello vor einer nach einem Überfall der Wildschweine vor ein paar Jahren zusammengestürzten Mauer, und Beppe murmelte verzweifelt vor sich hin: Beppe, Beppe, cosa fai senza gamba? Beppe, Beppe, was machst du ohne Bein?

Fast wären mir die Tränen gekommen, so rührend war das.

Wenig später war er schon wieder halbwegs obenauf, wir telefonierten, und ich fand es interessant, wie oft Italiener am Ende eines Gesprächs Ciao zu sagen in der Lage sind. Ein Deutscher verabschiedet sich in der Regel ja mit einem einfachen Ciao oder mit einem fröhlichen Ciao, ciao. Ein Italiener sagt das mindestens zehnmal und immer in verschiedenen Variationen: gerufen, gehaucht, geseufzt, geflüstert, gesagt, gebellt...

Probieren Sie es mal!

Ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao, ciao… Ciaooo…

Und dazwischen vielleicht – in den freundschaftlich-vertrauten Telefonaten – noch so etwas wie un bacione, ein dicker Kuss, un bacio enorme, ein Riesenkuss, un bel bacione, ein schöner dicker Kuss, ach, ciao, ci vediamo, ciao, wir sehen uns, ciao, ciao, ciao...

Ciao.