Mit meinen Leserinnen R. und W., beide als Lehrerinnen „im Grundschulbereich“ tätig, bin ich kürzlich in einen Austausch über Sprache und Poesie im Kindesalter getreten.
Es ging um das Schöpferische am Falschmachen, ein Hauptthema meines Eichelhecht-Buchs: darum, dass manchmal erst ein Irrtum die Freude an der Sprache wecken kann. Die beiden schrieben mir:
„Leider durften wir schon zu häufig beobachten, was passiert, wenn wir (jüngere) Menschen, die mit viel kreativem Elan und Froide starten, in enge Korsette von Vorgaben und Reglementierungen zwängen, übrigens der sichere Weg, es ihnen so richtig zu vermiesen. Sie verlieren die Lust an der Sprache und im schlimmsten Fall, wie beispielsweise bei einer vorliegenden Lese-Rechtschreibschwäche, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und sich selbst oder gehen gar in eine Verweigerung, was wir grundsätzlich nachvollziehbar finden. Und da Sprache in erster Linie der Verständigung dient, wäre ein insgesamt entspannterer Umgang wünschenswert.“
Jawoll, da bin ich zuständig.
R. und W. haben ein kleines Glossar des Grundschulischen, einer Unterabteilung des Sprachländischen, zusammengestellt, aus dem man viel über die Poesie der Alltagssprache von Kindern lernen kann. Ich erwähne mal ein paar Vokabeln: krozden statt trotzdem, Günastik statt Gymnastik, Metterschlink für Schmetterling, Günaseon für Gymnasium, öankswie für irgendwie, apselut für absolut. Zum Grundschulischen gehört essentiell die Interjektion Abba hä?, die bei totalem Unverständnis geäußert wird und immer am Satzanfang steht: Abba hä?, wie soll ich das denn machen?
Auch das Wort Beispiel wird oft verwendet im Grundschulischen, im Zusammenhang mit jetze oder nua vor allem: „Wenn ich mal groß bin, dann arbeite in Jeans-Shop, aber Beispiel nua.“ Oder: „Wenn du jetze ein Mann bist, Frau R., abba Beispiel nua, nua Beispiel, schwöre ...“
Interessant ist, was im Grundschulischen mit dem Buchstaben n geschieht. Von meinen eigenen Kindern weiß ich, dass sie das n im Zusammenhang mit dem Wort Herr grundsätzlich weggelassen haben. Nie verstand ich warum. Ich musste heute Morgen zu Herr Müller gehen. Oder: Du sollst mal Herr Meier anrufen.
Nun weiß ich, was los war: Das n wird an anderer Stelle benötigt. In der direkten Ansprache, so R. und W., sagen die Kinder immer: Du, Herrn Müller, kannst du mal …? Ein Brief an mich würde im Grundschulischen beginnen mit: Sehr geehrter Herrn Hacke … Frau R. schreibt, vielleicht liege es öankswie daran, dass man zu den Kindern beispielsweise sage: Bring das mal zu Herrn Müller. Und dass die Kinder es dann richtig machen wollen und, bei Müllern angekommen, sagen Hier, Herrn Müller!, welcher sie dann mit dem Hinweis Es heißt aber Herr Müller! wieder zurück schickt, wo sie sagen: Ich war bei Herr Müller.
Abba Beispiel nua jetze, schwöre.
Eine Schülerin im 2. Schuljahr nannte als Themenwunsch: filesofieren über den Heaz. Das könnte man tatsächlich öfter tun in der Schule, eigentlich in allen Jahrgangsstufen müsste man es tun. Aber ich sehe schon, wie da die Beamtinnen und Beamten in den Kultusministerien sitzen, wenn sie filesofieren über den Heaz hören. Und wie auf ihren Stirnen groß gemalt steht: abba hä?