Im letzten Brief ging es um die Frage, ob noch Fehler im neuen Buch zu finden sein würden. Ich hatte die Empfänger dieses Briefs gebeten, danach zu suchen und insgeheim gehofft, niemand würde etwas entdecken.

Weit gefehlt!

Kaum war der Brief draußen, kam schon die erste Mail. Ihr folgten weitere. Das weitaus meiste war harmlos, ein das statt des gebotenen dass oder ein usprünglich, wo es doch ursprünglich heißt. Schmerzhafter war das fehlende b bei dem italienischen Wort arrabbiata für wütend; ich hatte drei Mal in einem Absatz arrabiata geschrieben, und das, obwohl kurz zuvor der Wort-Usprung, ähem, -Ursprung (nämlich la rabbia/die Wut) richtig geschrieben war. Ich war wirklich arrabbiato, arrabbiato, arrabbiato.  Fast noch schlimmer: dass ich aus dem police-officer einen Polizei-Offizier machte, dabei ist es doch einfach ein Polizei-Beamter.

Jemand schrieb, es sei eine geniale Idee, die Leserinnen und Leser nicht nur das Material für ein Buch sammeln und einschicken zu lassen, sondern sie dann auch noch zum Korrektur-Lesen zu bringen. Ja, ja, ja. Aber noch mehr gefiele es mir, einmal in meinem Leben ein Buch fehlerlos in der ersten Auflage zu drucken.

Im Übrigen möchte man das Buch eigentlich sofort vom Markt nehmen und noch mal neu schreiben. Denn in der Welle von Post, die mich derzeit überspült, sind viele wichtige Ergänzungen etlicher Kapitel des Buches enthalten, mein neues Lieblingsgericht zum Beispiel. Leser H. entdeckte es einst auf der Speisekarte von Singapore Airlines.

Es heißt Huhu mit Reis.

Der Abschnitt über Kommata und Apostrophe wäre zu ergänzen um einen Eintrag auf der Seite der Pächterin eines Traunsteiner Wirtshauses. Ein Gast schrieb: „Wir wollen uns I’m Gasthaus wieder treffen können.“ Wie wah’r!

Wunderbar, was aus der Pflanzenwelt Sprachlands zu berichten ist: Im Gartenmarkt wird dort die Baumzypresse Bonsai XL für 249 Euro angeboten. Ich bin während des Lockdowns oft in einem Wald spazieren gegangen, umgeben von Bonsai-Eichen XXXXXXXXXXXL.

Zur Fauna von Sprachland (Aschenpudel, Tinderfisch, Eichelhecht usw.) sind neue wunderbare Wesen gestoßen. Frau W. erzählt von ihrer vier Jahre alten Tochter, mit der zusammen sie im Winter die Vögel auf der Terrasse beim Körnerpicken beobachtete, als die Kleine plötzlich rief: „Schau, da fliegt eine Meiskolbe!“ Ebenfalls von diesem Kind stammt der Pumerang, ein harmlos-treues Wesen, das immer zum Besitzer zurückkehrt, wenn man es richtig behandelt. Frau G. hingegen stellte sich bis vor kurzem immer, wenn sie den Ausdruck Voll wie eine Strandhaubitze hörte, einen niedlichen, torkelnd sich bewegenden, kiebitzartigen Vogel vor. (Übrigens habe ich nachgesehen, woher der Ausdruck kommt und entdeckt, dass Haubitzen Kanonen sind, die man früher an der Küste fest in Stellung brachte, als Strandhaubitzen also. Und wenn man die Rohre nicht ausreichend abdichtete, liefen sie bisweilen so voll mit Wasser oder Sand, wie der Soldat sich mit Alkoholika volllaufen lässt.)

An dieser Stelle möchte ich von meinem neuen Lieblingswein erzählen. Frau F. hat ihn für mich beim Italiener in Rosenheim entdeckt. Der Wirt dort antwortete auf die Frage, ob er einen guten Roten empfehlen könne: Si, vino della casa, Albalita? Freudig stimmt die Tischrunde zu, den kannten sie noch nicht, diesen Albalita. Und der Wirt brachte strahlend eine Karaffe, einen halben Liter. Aber klingt nicht Albalita wirklich nach einem Anbaugebiet in Apulien oder einem Winzer in der Toskana, der Fattoria Albalita

Herr J. hat das Edelebereschenbeerengeleebecherchendeckelchen, Rekordhalter bei Wörtern mit e, ausgebaut: Edelebereschenbeerengeleebecherchendeckelchenherstellervertreter. 24, großartig! Geht mehr? Vielleicht. Aber dann würde es künstlich, glaube ich.

Jemand schrieb noch, das Buch sei stinklangweilig und weit unter meinem Niveau. Ich antwortete, es sei anders: Das hier sei genau mein Niveau, hingegen liege alles andere, das ich so verfasse, weit über meinem Niveau.

PS: Im ersten Brief (im Januar) war es um missverstandene Buchtitel gegangen, unter anderem um den Kunden, der einen Buchladen betrat und das Werk mit dem Titel Homo Faber mag’s frisch verlangte. Dazu berichtet Leserin B., ihre Freundin Barbara habe von einem Deutschlehrer erzählt, der, um solche Fehler zu vermeiden, den Titel der Deutsch-Lektüre an die Kreidetafel geschrieben habe:

Max Frisch
Homo Faber
Suhrkamp Verlag
Worauf sich ein Schüler meldete und fragte: „Müssen wir die alle drei lesen?“

PPS: Herr E. schrieb mir, in Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit gebe es eine Stelle, an der das Phänomen beschrieben werde, dass Menschen, die etwas falsch aussprechen, diesbezüglich oft unbelehrbar seien; man könne das Richtige in ihrer Anwesenheit noch so oft wiederholen, sie blieben beim Falschen. Leser H. kennt in diesem Zusammenhang eine Dame, die es liebt, wenn das Equickment stimmt, und es nicht mag, wenn sich im Leben arg sakristeien müsse. Mich erinnert das an die legendäre Frau Stöhr in Thomas Manns Zauberberg, die immer kosmisch und kosmetisch verwechselt. E. aber bringt die Erinnerung an eine kleine Kolumne einst in der Hörzu ins Spiel, in der man zum Beispiel so etwas lesen konnte: „Pygmalion ist nicht, wie Sie bislang immer glaubten, ein Gebirge in Spanien, sondern ein kleinwüchsiger Volksstamm in Zentralafrika.“