Am 12. November wäre Loriot 100 geworden. In meinem Buch über die Heiterkeit sind ihm einige Seiten gewidmet, und am 11. November brachte das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung einen Text von mir über sein Lebenswerk. (Wer ein Digital-Abonnement der SZ hat oder ein Probe-Abo abschließt, kann ihn nachlesen.)

Als ich daran arbeitete, habe ich mein ganzes Büro nach Material durchforstet und dabei etwas wiederentdeckt, das mir sehr am Herzen liegt. Vor sehr vielen Jahren war ich einmal in der Talkshow Kölner Treff zu Gast, und Bettina Böttinger, die Moderatorin, überreichte mir ein Geschenk von Loriot, das mich zu Tränen rührte, so schön war es: eine Mappe mit seinen Porträts großer Deutscher, handsigniert.

In der Geschichte für die SZ habe ich mein wichtigstes Erlebnis mit Vicco von Bülow geschildert, hier ist der Auszug aus dem Text.

Das SZ-Magazin hatte zur Feier meiner 500. Kolumne eine sonntägliche Matinee im Residenztheater veranstaltet. Das Haus war voll. Thomas Loibl, Christian Friedel und Gerd Anthoff lasen je vier meiner Texte. Ich sollte danach selbst etwas vortragen. Das alles war Ehre genug. Ich saß im Publikum, und gerade, als ich auf die Bühne springen wollte, trat ein Überraschungsgast durch einen Vorhangspalt ans Pult: Loriot.

Ich werde nie dieses Geräusch vergessen, das für einen Moment den Saal erfüllte: ein Ton fassungsloser Freude und vollständiger Überraschung des Publikums, eine Art geächztes Jauchzen.

Loriot sagte, er habe sich gefreut, nach den zwölf bereits vorgetragenen Texten die anderen 488 Kolumnen vorlesen zu dürfen, wolle sich aber angesichts der vorangeschrittenen Zeit auf zwei beschränken. Die las er, wie nur er das konnte, mit jenem präzisen, millisekundengenauen Gefühl für Timing, für den Raum, den eine Pointe braucht, vorher, nachher. Später erfuhr ich, dass er das erstens daheim zusammen mit Familie und Freunden geübt hatte, dass zweitens sein Manuskript aussah wie eine Partitur, weil er so viele Betonungs-Striche sowie Stimmhebungen und -senkungen darauf markiert hatte, dass er drittens in den Tagen vor der Veranstaltung immer wieder in der Redaktion angerufen hatte, um den Auftritt vorzubereiten, dass er viertens zusammen mit seinem Arzt gekommen war, der alles tat, um ihm sein Lampenfieber zu nehmen.

Eine der Kolumnen, die er las, trug den Titel Ich kotz‘ gleich.

Ich saß unten im Theater vor ihm, meine Frau hielt meine eiskalten Hände. Ich musste nach ihm selbst eine Geschichte lesen. Ich tat es  mit rauer, gelegentlich versagender Stimme. Am Schluss standen wir nebeneinander auf der Bühne, mir kamen die Tränen. Später saßen wir noch viele Stunden zusammen.

Und wissen Sie was?

Glücklicher kann ein Mensch in seinem Beruf nicht werden, als ich es an jenem Sonntag vor achtzehn Jahren war.