Im ältesten Aktenordner, den ich besitze, habe ich im Jahr 2020 eine Klarsichthülle mit Zetteln und amtlichen Bescheinigungen gefunden. Eine davon – sie stammt vom 25.1.1956, da war ich fünf Tage alt – weist meine erste Impfung überhaupt nach, gegen Tuberkulose. Sogar die Nummer des Impfstoffs ist vermerkt. Blöderweise hat mein Vater an dieser Stelle die Karte gelocht, um sie abzuheften. So ist nur die letzte Zahl erkennbar, eine 4. Schade eigentlich. Vielleicht gibt es, Klassentreffen ähnlich, ab und zu Versammlungen von Leuten mit der gleichen Impfstoffnummer. Könnte man mal hingehen, aber besser nach der Pandemie.

Diese Zettelsammlung scheint ziemlich vollständig zu sein. Mein Vater hat alles, was irgendwie amtlich war, aufgehoben, ich tue das auch. Mehrere Polio-Impfscheine sind da, 1962 gab es die Schluckimpfung gegen Typ I, 1963 gegen Typ II und 1964 gegen Typ III. Der Slogan, mit dem für diese Impfung geworben wurde, lautete Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam. Wir bekamen in der Schule ein Stück Zucker, darauf wurde das Vakzin geträufelt, ein unvergessliches Erlebnis, noch dazu, weil ich 1962 zu den ersten Kindern in der Bundesrepublik gehörte, die auf diese Weise geimpft wurden.

Was den Pockenschutz angeht, so hat Vater nicht nur den Impfschein von 1968 (gezeichnet Dr. Möhle, Stadtärztin) aufgehoben, sondern sogar die vorausgehende Aufforderung zur öffentlichen Pockenschutz-Wiederimpfung; bei Pocken galt ja die Impfpflicht, was dazu beigetragen hat, das Virus weltweit auszurotten, als einziges bisher.

Unser Leben hatte seine Ordnung, und so kann ich auch beweisen, dass ich 1960 wegen einer Stirnplatzwunde eine Injektion von „1500 Einheiten Tetanus-Serum vom Pferd“ bekam. Nur der Name des Pferdes fehlt. Ich war auf die Straße gelaufen, vor einen Motorroller. Der Freund, dem ich ohne zu schauen gefolgt war, hatte Glück, ihm passierte nichts. Aber ich brach mir den Arm und hatte eben diese Wunde. Die Narbe sieht man heute noch. Der Freund ist später Kriminalhauptkommissar geworden.

Bei der Bundeswehr bekam ich 1974 mein erstes Impfbuch, das Impfbuch Bw, ein irreführender Begriff, denn es handelt sich um ein 45 Zentimeter langes, faltbares Stück dicken Papiers. Oben steht: Sorgfältig aufbewahren! Jawoll, Herr Hauptfeldwebel, Befehl ausgeführt! Es ist ziemlich schmuddelig, wer weiß, wie oft ich damit in Uniform durch den Dreck gerobbt bin. Aber immerhin kann ich ihm entnehmen, dass ich der Blutgruppe 0 angehöre, das hatte ich vergessen. Ich glaube, bei Covid-19 ist das ein kleiner Vorteil, immerhin.

Mein richtiger Impfpass stammt von 1979, wobei, gerade sehe ich: Korrekt heißt das gelbe Heft Impfbuch gemäß § 16 Bundes-Seuchengesetz. Vor etlichen Jahren hatte ich das Ding verlegt und bekam vom Arzt ein neues, diesmal aber gemäß §22 Infektionsschutzgesetz. Dann habe ich das alte wiedergefunden. Nun habe ich zwei, quasi eine doppelte Impfbürgerschaft. Auf beiden aber steht vorn World Health Organization. So ein Ausweis besitzt, muss ich sagen, eine große Magie, weil damit so Abstraktes wie Forschung, Fortschritt, Gesundheitspolitik und Seuchenbekämpfung greifbar werden und beweisen, dass all das mich tatsächlich ein Leben lang geschützt hat. Und der Impfpass ist fast bedeutender als Reisepass und Personalausweis, wobei: Im Alltag benutzt man nun das Zertifikat im Handy, da funktioniert die Digitalisierung nun.

Auf Seite 20 steht Indikations- und Reiseimpfungen. Anfangs dachte ich, da kämen dann auch Covid-19-Verabreichungen hin. War aber nicht so. Stattdessen: Seite 18, bei Schutzimpfungen gegen Influenza (Virusgrippe). Grippeimpfung habe ich seit 2020 auch jedes Jahr, man muss mit der Zeit gehen und mit den Notwendigkeiten. Man muss ja auch mit dem eigenen Alter Schritt halten.

Und dann, hier, mein ganzer Stolz: Comirnaty, 6. April 2021, 18. Mai 2021 und der Booster am 14.11.2021. Platz ist noch für sieben Impfungen, oha, das könnte knapp werden …