In meiner Kolumne im Süddeutsche Zeitung Magazin habe ich kürzlich etwas über unseren steten Kampf mit der defekten Geschirrspülmaschine geschrieben und wie unser Leben sich zu einem einzigen Ringen mit dem immer wieder spontan kaputtgehenden Apparat entwickelte.

Alle paar Tage zeigte das Display einen Fehler an, F11 der Name. Öffnete man das Gerät, blickte man in eine düstere Brühe auf dessen Boden. Telefonate mit Handwerkern schlossen sich an. Sie gaben Ratschläge, jeder einen anderen. Wir schöpften die Brühe mit großen Tassen ab. Ließen das Gerät leer mit Reinigungsmittel laufen. Öffneten ein Sieb am Boden, entdeckten darunter ein gebogenes Rohr mit einer Metallkugel drin. Da war anscheinend etwas kaputt, aber die Hoffnung auf Bezug eines Ersatzteils könnten wir uns abschminken, hieß es. Gebe es nicht. Ukraine, China, Lieferprobleme. Es war in dieser Zeit, dass ich zu denken begann, alles was Menschen dringend benötigen, sei in der Ukraine oder in China hergestellt worden und werde nie mehr fabriziert.

Leserin B. schrieb, ihnen seit es genauso ergangen, bis ihr Mann schließlich den Fehler gefunden habe: „Der Übergang Wasserablauf zum Eckventil ist häufig mit einem Fettpropfen verstopft.“

Was für ein wunderbares Wort! Fettpropfen. Eigentlich heißt es ja Fettpfropfen, aber komischerweise lese ich ohnehin immer Pfettfropfen und erinnere mich an einen Text in meinem Buch Wortstoffhof, dem ich mit freundlicher Genehmigung meiner selbst folgenden Text entnehme:

Pferd – das ist eigentlich schwer auszusprechen, nicht wahr? Fast alle Leute sagen: Ferd.

Und dann erst: Flusspferd. Unwillkürlich sagt man Pflussferd und im Grunde passt das auch besser zu dem Tier, das wenig Pferdehaftes hat, dafür viel Zylindrisch-Klobiges, Walzenförmig-Ungeschlachtes, ein Pflusstier. Sollte man nicht manche Wörter auch in der Schreibung besser dem anpassen, was sie bezeichnen?

Früher hieß das Pflussferd Nilpferd, weil es am Nil lebte. Hier passt das P nach dem L ganz gut, finde ich, Nilpferd, Nilpferd, Nilpferd.

Aber heute gibt es im Nil, am Nil und um den Nil herum keine Pflussferde mehr. Und der World Wildlife Fund berichtet, das Pflussferd stehe vor dem Aussterben – bald braucht man gar keinen Namen mehr, höchstens im Zoo. Übrigens hat dies Bedrohtsein auch was mit den Wirren im Kongo zu tun, wo der Bestand um 95 Prozent zurückgegangen ist und wohin vor Jahren erstmals deutsche Soldaten reisten, denen man sagen musste, sie sollten vorsichtig sein, wenn sie plötzlich vor einer von Stalagmiten gerahmten Höhle stünden. Es handelt sich in der Regel im Kongo nicht um eine Höhle, sondern um eine aufgesperrte Pflusspferdpfresse.

Übrigens ist es ein neueres Phänomen: Menschen lieben Pflussferde so, dass sie ihnen Namen geben wie Knautschke, Bulette, Toni. Dass sie Nilpferdfreunde-Klubs gründen. Nilpferdnippes sammeln. Im Sudan galt das zu ungeheurer Unfreundlichkeit fähige, Boote umwerfende, Menschen mit messerscharfen Riesenzähnen zerbeißende Wesen früher als Auswurf der Hölle. Und Old Brehm, der am Blauen Nil einmal durch dichtes Dornengebüsch vor einem Wutpferd fliehen musste, bis sein Anzug in Fetzen hing, hielt dem Tier gar seine Essmanieren vor: Es sei beim Verzehr von Wasserpflanzen „eine ekelhafte Erscheinung“, aus dem Maul hingen Ranken und Stängel, „grünlicher Pflanzensaft mit Speichel untermischt läuft beständig über die wulstigen Lippen“, halb Zerkautes werde herausgerülpst und neu verschlungen. Es ist auch wahr, dass dem Hippo-Po unübersehbare Kotmengen entquellen, immer pfff, immer pfff, sodass im Zoo Wasserpferde behaglich in stuhlganggetrübtem Wasser lagern.

Und doch sehen wir Heutigen alles anders. Wir staunen über die Beweglichkeit der Kolosse. Wir wissen, dass man einst aus ihren Zähnen künstliche Menschengebisse machte, weil Pflussferd-Elfenbein im Gegensatz zu dem des, äh, Elepfanten nie gelb wird. Wir lesen, dass Hippo-Babys bei der Geburt aus dem Mutterleib regelrecht herausschießen. Wir freuen uns, wenn Nilpferdhaut glänzt wie ein frisch geputzter Kanonenofen. Wir hören eine Anekdote aus dem Zoo von Halle, wo eine Boxerhündin und ein Pflussferd sich so befreundeten, dass Erstere dem Zweiten ins Maul steigen durfte, um das Innere freundlich zu belecken.

Ist es ihre Langlebigkeit, die Pflussferde so beliebt macht? Oder die unzeitgemäße Inbrunst, mit der sie Pfettleibigkeit zu genießen scheinen?

Wir wissen jedenfalls alles über den Hippopotamus. Aber es nützt keinem mehr. Hippo steht auf der Roten Liste ganz oben, gleich neben dem Orang-Utan, das ist auch so ein Fall, Orang-Utan, kein Mensch sagt Orang-Utan, alle sagen: Orang-Utang – und warum auch nicht?

Wir Deutschen sterben im Übrigen auch aus und so sind wir, dicker Freund, am Ende in diesem Aussterben vereint und es wird irgendwann niemand mehr geben, der Pflussferd heißt, aber auch niemand, der noch Pflussferd sagt – und wenn das nicht traurig ist, dann weiß ich auch nicht.

In diesem Zusammenhang interessant: Leserin J. meldete sich per Facebook, sie reise nun in den Schwarzwald, aber von dort würden auf der Website eines Restaurants Gefahren gemeldet: Geschmacksknopsen werde man zum Explodieren bringen! Das ist ein bisschen so, wie man vor lustigen Veranstaltungen darauf hingewiesen wird, man könnte sich die Bauchmukseln zerren vor Lachen.

Ich dachte an Mörike, Frühling lässt sein blaues Band, Sie kennen das. Eines seiner weniger erwähnten und auch weniger erwähnenswerten Gedichte heißt Liebesvorzeichen und beginnt so:

Ich stand am Morgen jüngst im Garten

Vor dem Granatbaum sinnend still;

Mir war, als müsst' ich gleich erwarten,

Ob er die Knopse sprengen will. Na ja, er hat Knospe geschrieben, aber Knopse ist doch auch schön. Und dass der Granatbaum im Frühling seine Knopsen sprengt, muss niemand wundern, sonst hieße der doch Garantbaum oder Gratanbaum und nicht ausgerechnet Granatbaum.