Ehrlich, soviel Post habe ich fast noch nie zu einem Buch bekommen wie zu Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte, und das will schon etwas heißen, denn die Wumbaba-Trilogie besteht ja fast nur aus Leserpost und Oberst von Huhn bittet zu Tisch auch.

Aber das hier ist etwas anderes. Die Briefe gehen mir zu Herzen, denn es scheint gerade ein tiefes Bedürfnis zu geben: dass uns jene Dimension der Menschlichkeit, die sich hinter dem Begriff der Heiterkeit verbirgt, nicht verlorengeht in diesen Zeiten.

Leser G. zum Beispiel schrieb, vor Kurzem sei seine Frau nach schwerer Krankheit gestorben, sie seien 51 Jahre lang verheiratet gewesen. „In diesem Riesenloch der Abwesenheit und des Fehlens habe ich Ihr neues Buch über die Heiterkeit gelesen. Es hat mir soviel Freude bereitet. Und mir soviel geholfen. … Es ist ein großes Vergnügen, dass es solche Menschen wie Sie gibt. Herzlichen Dank.“

Ich danke meinerseits Herrn G. für die Post und dem Himmel dafür, dass ich diesen Beruf ausüben kann.

Frau W. schrieb mir, dass es die wunderbare Gleichzeitigkeit und das Zusammenspiel von Ernst und Heiterkeit, um die es im Buch ja geht, auch in der Musik gebe. Sie habe selbst im Leben viel gesungen, im Chor, in der Familie, sogar als junge Frau auf der Straße, und immer sei etwas Wunderbares passiert: „Hingabe – an die Musik. Wir werden Instrument, lassen uns tönen. Wir verströmen uns. Oder spielen ein Instrument und vergessen uns dabei.“

Beim Lesen sei ihr eine Motette von Bach eingefallen, Jesu meine Freude.

Trotz dem alten Drachen,

Trotz des Todesrachen,

Trotz der Furcht darzu!

Tobe!

Tobe, Welt, und springe.

Ich steh‘ hier und singe,

in gar sichrer Ruh!

Gottes Macht hält mich in acht.

Erd und Abgrund muss verstummen,

ob sie noch so brummen.

Sie schreibt: „Ist das nicht ein toller Text? Und noch wunderbarer ist, wie Bach den Text in Klang gegossen hat. … Der Trotz gerufen, das Aufbegehren gegen Finsternis und Angst laut und stark, und dann das Gegengewicht zum Chaos der Welt: Ich steh‘ hier und singe! Sanft und doch voller Bestimmtheit und Ruhe. Schon beim Anhören wird es in mir gut. Beim Singen möchte ich immer an dieser Stelle eine lange Pause machen, um diese einfachen Wörter noch länger wirken zu lassen …“

Da sei dieses spannungsreiche Miteinander von tobender Welt und innerer Sicherheit – und weiter: „Ihr Buch hat geholfen, mich zu erinnern. Und nicht nur dieses Stück zu erinnern, sondern einen wichtigen Teil meiner Selbst, den ich fast verloren geglaubt habe. Den ich zumindest in den letzten Monaten nicht mehr spüren, sehen, erleben konnte. Mir ist die Finsternis übermächtig geworden. Ihre Worte haben mich berührt, in mich hineingeleuchtet. Wie mit einer Taschenlampe, hierhin und dorthin in diese erschreckende Finsternis geleuchtet, und siehe da – es gibt Schätze zu entdecken. Humor. Widerstandskraft. Entschlossenheit.“

Mir fiel ein, dass Musik in meinem Buch keine große Rolle spielt, von Johnny Cash mal abgesehen, obwohl sie eigentlich eine solche spielen müsste, wenn es um Heiterkeit geht, auch Malerei fehlt. Ich habe mich auf Philosophie und Literatur, auf Loriot, Sempé und Werner Finck beschränkt, weil ich davon mehr zu verstehen glaube.

Umso mehr freut mich, dass sich dieses Buch in den Köpfen von Leserinnen und Lesern weiterentwickelt.

Ich dachte auch an Leonard Cohen, dessen berühmter Song Anthem in Wozu wir da sind eine Rolle spielt mit den großartigen Zeilen:

    Ring the bells that still can ring

    Forget your perfect offering

    There is a crack, a crack in everything

    That’s how the light gets in

Ich würde das so übersetzen:

    Läute die Glocken, die noch läuten können

    Vergiss deine perfekte Opfergabe

    Da ist ein Riss, ein Riss in jedem Ding

    So kommt das Licht herein

Walter Wemut, die Hauptfigur von Wozu wir da sind, knüpft daran die Überlegung:

„Erst durch das Unperfekte, das Misslungene, das Schadhafte komme das Licht in die Welt. Cohen hat es ja immer abgelehnt, seine eigenen Songs zu interpretieren, aber hier hat er mal eine Ausnahme gemacht, ich habe das nachgelesen: Es gebe keine Entschuldigung dafür, die eigene Verantwortung für sich selbst nicht wahrzunehmen, hat er gesagt, ring the bell that still can ring, es gebe sie, diese Glocken, es seien wenige, aber man könne sie finden. Es gebe keine perfekten Lösungen, nirgendwo, schlimmer noch, die Welt sei voller Brüche und Risse, aber genau dort dringe das Licht ein, und genau dort liege die Möglichkeit zur Umkehr, zur Reue – sie liege in der Konfrontation mit der Kaputtheit der Dinge.“

Damit kann man vielleicht auch in diesen Tagen etwas anfangen, denke ich, und just, als ich das denke, kommt eine weitere Mail von Frau W.

Sie habe oft festgestellt, schreibt sie, dass ihre eigene melancholische Stimmung, auch Traurigkeit, durch das Hören melancholischer Stücke verbessert werde, so wie in der Mathematik Minus mal Minus Plus ergebe. Und weiter: „Leonhard Cohen ist diesbezüglich ein wunderbarer Interpret. Es kann mir übel gehen – wenn ich ihn singen höre, wird es lichter und leichter und ich singe dann auch, und während dem Singen kann es einem eigentlich schon nicht mehr ganz schlecht gehen.“

In Marianne gibt es die Zeilen:

Now so long, Marianne

It’s time that we began

To laugh and cry

And cry and laugh about it all again

Das passe doch sehr gut zum Buch, schreibt sie, und das finde ich auch. Es passt auch gut zu den aktuellen Stimmungen im Herbst des Jahres und der ganzen Welt.

Und wer noch etwas anderes hören will, der nehme jetzt die Dire Straits und Why worry.