Für das Magazin ZEITWissen habe ich in den vergangenen Wochen an einem Aufsatz über die Heiterkeit als einer grundsätzlichen Haltung dem Leben gegenüber geschrieben. Es ging darum, wie es gelingen kann, sich eine solche Einstellung gerade in schwierigen Zeiten wie diesen zu erarbeiten.

Kürzlich ist das Heft erschienen, an guten Kiosken und in vernünftigen Zeitungsläden ist es zur Zeit erhältlich, auch im Internet natürlich.

Hier einige Absätze aus meinem Text.

„ … Dabei fällt mir eine alte Anekdote ein. Sie spielt im 17. Jahrhundert und handelt von einem Mann, der einen Pariser Arzt aufsucht, um ihm von seinen Gemütsverdunkelungen zu berichten und zu fragen, was sich dagegen unternehmen ließe. Der Mediziner sagt: ‚Was Ihnen fehlt, ist Heiterkeit. Sie dürfen sich nicht weiter hinabziehen lassen in diese Betrübnis, müssen sich freimachen, nach Ablenkung suchen. Da fällt mir etwas ein: Gehen Sie ins Theater! Dort läuft ein neues Lustspiel von Molière, eine Komödie. Gehen Sie dorthin. Lachen Sie! Das wird Ihnen helfen.‘

Worauf der Patient starren Blickes antwortet: ‚Herr Doktor, ich bin Molière.‘

Was man daraus lernen kann, mag erst mal seltsam klingen, es ist aber sehr wichtig. Heiterkeit ist nämlich nicht leicht zu haben. Man muss sie sich erkämpfen, erarbeiten. Für manche Autoren ist das nicht selten der wichtigste und der einzige Weg zu einem zumindest partiell heiteren Dasein, weil es ihnen nämlich gelingt, aus düsteren Lebensereignissen das Heitere zu destillieren und so einen Verwandlungsprozess in Gang zu setzen, an dessen Ende wir über die tragischsten Dinge laut lachen.

Betrachtet man zum Beispiel gewisse Sketche von Loriot und entkleidet sie alles Komischen, sieht man zutiefst traurige, deprimierende Existenzen: Menschen, die nicht mal über ein Frühstücksei vernünftig kommunizieren können, die aneinander vorbei reden, wenn es doch nur darum geht, still in einem Sessel zu sitzen, und die ein Parkzettel in den Wahnsinn treibt. Das sind alles Geschichten, aus denen viele deutsche Autoren Tragödien herausgedichtet hätten. Aber genau diesen Weg ist Loriot nicht gegangen. Er hat nicht das ja ohnehin offen zu Tage liegende Schreckliche beschrieben, sondern das verborgene Komische freigelegt. Er hat das Leben verwandelt, hat etwas leicht gemacht, das zunächst schwer schien. Darin liegt viel Tröstliches, und man kann deshalb sagen, dass guter Humor immer eine direkte Verbindung zum Schweren unseres Lebens haben muss. Sonst wirkt er eher wie Fast Food, das sättigt, aber nicht zufrieden macht.

Heiterkeit setzt also eine Anstrengung voraus – und was für Autoren gilt, das muss man auch für den großen, nichtschreibenden Teil der Bevölkerung in Anspruch nehmen. Wie jeder Schriftsteller, der heitere Texte schreiben will, einen bestimmten Blick aufs Leben haben muss, so muss wohl auch jeder, der ein heiteres Leben führen möchte, seine Sichtweise aufs Dasein ändern – was allerdings noch viel schwerer ist, als einen humorvollen, leichten, schwebenden Text zu verfassen.

Denn hier geht es nicht um einige Stunden am Tag, in denen man alles mal ein wenig anders sieht als sonst. Es geht um den ganzen Tag, die ganze Woche, den Monat, das Jahr, das Leben.

Ich spreche von der Heiterkeit als einer Grundhaltung. Und was mich selbst angeht: Ich möchte nicht nur ein Autor heiterer Geschichten sein. Sondern selbst heiter. Ich möchte sein wie manche meiner besseren Geschichten und Bücher.

Ist das überhaupt möglich?