Kundin: Ich möchte das Buch von diesem Rohmer, der immer solche Irrfahrten gemacht hat.
Buchhändler: Meinen Sie Homer?

Während meiner Arbeit an den Wumbaba-Bänden, die sich mit Missverständnissen aller Art beschäftigen, entdeckte ich vor vielen Jahren zwei schmale Werke des Buchhändlers Gérard Otremba, in denen es um fast nichts anderes geht als die eingeschränkte Hörfähigkeit des Publikums, Buchtitel betreffend: Die geheimen Aufzeichnungen des Buchhändlers und Ein weiterer Tag im Leben des Buchhändlers.

Da liest man, wie deutsche Buchverkäufer sich Tag für Tag mit den Misshörern ihrer Kunden auseinanderzusetzen haben, wenn die nämlich gern Fräulein Smillas Gespür für Schnee hätten, aber Fräulein Müllers Gespür für Schnee verlangen, wenn sie nach Goethes Kotz von Brechlingen fragen oder statt Robert Schneiders Schlafes Bruder gerne sein Werk Schlafes Pulver erwerben würden. Von Stephen Kings Frithjof, Der Kuschlige oder Max Frischs Mein Name sei Gallenstein gar nicht zu reden.

Apropos Max Frisch. Nach einer Lesung in Murnau stand einmal ein Buchhändler vor mir, einen Zettel in der Hand, auf dem ein Kunde einen Buchtitel notiert hatte, den er kaufen wollte. Da stand: Homo Faber mag’s frisch.

Also: Man kann über Buchtitel noch so lange nachdenken, im Alltag wird dann doch was anderes daraus. Ist es dann nicht am besten, man baut das Missverständnis sozusagen gleich in den Titel ein? So haben wir es vor Jahren gemacht, als Das kolumnistische Manifest erschien, eine Sammlung meiner Kolumnen aus vergangenen Jahrzehnten. Ich stelle mir nun immer vor, was in den Buchhandlungen geschieht.

Ich hätte gerne das Manifest von diesem Kommunisten.
Meinen Sie Marx?
Ja, genau, Maxl oder so. Der die Bücher über die Versprecher geschrieben hat.
Ach, so die Verhörer. Wumbaba.
Ja, Lumumba, wunderbar. Wie heißt der?
Axel Hacke, das ist der Kolumnist.
Sag ich doch, der Kommunist. Maxl Hackl. Haben Sie das?

Das Buch, das nun erscheint, heißt im Bann des Eichelhechts und andere Geschichten aus Sprachland. Natürlich erhebt sich sofort die Frage: Was um alles in der Welt ist ein Eichelhecht? Dazu gibt es die Geschichte meines Lesers N., der mir im April 2020 von den Wald-Wanderungen berichtete, die er in der Zeit des Lockdowns damals mit seinem dreijährigen Sohn unternahm.

„Nach einem dieser Streifzüge ließen wir den Tag beim Einschlafen noch einmal Revue passieren. Gefragt, was das schönste Erlebnis im Wald gewesen sei, antwortete er sehr zielsicher: ‚Der Eichelhecht!‘ Ob er damit nun einen Eichelhäher oder gar einen Fisch in einem der den Wald durchziehenden Gewässer meinte, konnte nicht mehr abschließend geklärt werden, da der Schlaf ihn übermannte und er das Geheimnis mit in seinen Traumwald nahm. Das fabelhafte Wesen beschäftigt mich seitdem jedoch immer wieder und ich freue mich schon auf den Moment, wenn wir es wieder zu Gesicht bekommen.“

Aus solchen und ähnlichen Geschichten besteht das Buch, basierend auf tausenden von Briefen, Mails, Postkarten, Zetteln, die ich in Jahrzehnten von Leserinnen und Lesern erhielt, auch aus eigenen Beobachtungen, aus Gelesenem und Gesehenem, aus Missverständnissen, falsch Übersetztem und gegen alle Regeln Verstoßendem. Hier ist nicht nur der Titel ein Irrtum, sondern das ganze Buch.

Es schildert ein Land, das nur aus Sprache besteht, mit einer eigenen Fauna zum Beispiel, denn dort leben Tiere, die es nirgendwo sonst gibt, neben dem Eichelhecht zum Beispiel auch der Aschenpudel und der Rächerlachs. In der Pflanzenwelt gibt es Silberne Stadtpilze und Schwarzäugige Erbsen. Die Menschen hier tragen Ganskörpertattoos, sie kennen nur gerade und gebogene Zahlen, messen ihre Zeit in Verwöhnminuten und essen so schöne Gerichte wie Kleine Kopffüßer ertranken oder Nude-Lauflauf.  Und in ihrer Freizeit sammeln sie schöne Wörter wie Gesenkbördeln, Napfziehversuch oder Edelebereschenbeerengeleebecherchen.

Übrigens ist das Erfinden eines Buchtitels manchmal ganz leicht und bisweilen dann wieder sehr schwer. Beim kleinen Erziehungsberater war der Titel schon da, bevor ich eine einzige Zeile geschrieben hatte, genauso war es auch bei Wofür stehst Du?, das ich zusammen mit Giovanni di Lorenzo geschrieben habe: Mein lieber Freund wusste schon, wie das Buch heißen würde, bevor wir einen genaue Ahnung hatten, was drinstehen würde. So ist es im Grunde am besten, aber es klappt halt nicht immer. Das Beste aus meinem Leben hieß zuerst Meine Memoiren, was auch ein schöner Titel war, weil seine Großartigkeit schön korrespondiert mit dem Alltagsleben, das darin geschildert wird. War aber nicht besonders einprägsam, also änderten wir das. Richtig stolz bin ich auf Fußballgefühle, weil es so genau trifft, worum es geht. Und weil der Titel so kurz ist. Obwohl ja lange Titel sehr schön sein können, Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen zum Beispiel.

Mag ich irgendwie.

Im Bann des Eichelhechts und andere Geschichten aus Sprachland ist wieder ein langer Titel geworden. Mal sehen, wie er sich macht im Leben und in den Läden. Man kann ihn ja gut abkürzen, einfach Eichelhecht sagen oder so. Ist mir auch recht.

Haben Sie ein Buch über Eichelhäher?
Sie meinen die Vögel?
Nein, die Fische.
Also Eichelhechte?
Leben die im Wasser oder in der Luft?
Das steht ja hoffentlich im Buch.
Von wem ist es?
Hacke.
Hackl? Oder Hacker?
Hacke. Wie Spaten.
Spaten führen wir nicht.